Blogeintrag 14.08.2017

In der Praxis der Stadtplanung wird eine Frage immer wichtiger und zentraler: Wie kann eine Beteiligung (Partizipation) der Zivilgesellschaft an Stadtentwicklungsprozessen sinnvoll und nachhaltig organisiert und umgesetzt werden?

Im Zuge des angespannten Wohnungsmarkts in Berlin und den zunehmenden Protesten gegen die marktorientierte Stadtpolitik gehören „informelle Beteiligungsverfahren“ mittlerweile zum Standard bei größeren Projektentwicklungen. Allerdings sind diese selten erfolgreich für alle Beteiligten. Um einen möglichst reibungslosen und effizienten Ablauf von geplanten Projekten zu ermöglichen, ist für die neue rot-rot-grüne Stadtregierung die Vereinbarung auf eine „neue Beteiligungskultur“ ein zentrales Thema im Koalitionsvertrag5. Ähnlich dem „Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung“ , sollen einheitliche Regelungen für Beteiligungsverfahren in der Stadtentwicklung erarbeitet werden.

Das „Stadtforum Berlin: Beteiligen! Wie reden wir zukünftig über Stadtentwicklung?“ wurde am 26.06.17 als öffentlicher Auftakt für die im Koalitionsvertrag festgehaltene „Erarbeitung von Berliner Leitlinien für die Beteiligung“ inszeniert. Dabei wurden schon in diesem ersten Schritt – dem Entwerfen der Veranstaltung – die Stadtnutzer*innen und stadtpolitischen Initiativen nicht sinnvoll einbezogen.

Daraufhin gründete sich der Initiativkreis Stadtforum von Unten und lud zeitgleich zum gleichen Ort ins angekündigte, aber nicht mit den Veranstalter*innen abgesprochene Stadtforum von Unten ein. Teilgenommen haben dort in etwa 200-300 Personen und Vertreter*innen von Initiativen. Die gesammelten Ergebnisse der Assembly wurden kurz darauf – zusammen mit einem von unserem Initiativkreis verfassten Projektantrag – öffentlich an Senatorin Katrin Lompscher übergeben und eine Neuausrichtung des offiziellen Stadtforums eingefordert. Bis zum 10.07.17 sollte dazu dem Initiativkreis von Seiten der Senatorin berichtet werden. Am 07.07.17 erhielt der Initiativkreis das Antwortschreiben.

Die im offiziellen Stadtforum vorgestellten Schritte für die Erarbeitung von Leitlinien offenbaren eines ganz deutlich: Politik und Verwaltung arbeiten weiterhin mit den gegenwärtig unbefriedigenden Ressourcen und Voraussetzungen von und für eine ernsthafte Beteiligung der Zivilgesellschaft. So entstand ein Konzept, das lediglich auf die „Expertise und Mitwirkung [der Stadtgesellschaft] zurückgreifen“² will und zeigt entweder das fehlende Bewusstsein, den Unwillen oder die methodische Unkenntnis für die Stadtnutzer*innen als gleichberechtigt Handelnde.

Wir haben es uns daher zur Aufgabe gemacht, eine kollektive Wissensproduktion der Stadtgesellschaft zu initiieren, und – parallel zur Entwicklung der „Leitlinien für Bürgerbeteiligung für Projekte und Prozesse der räumlichen Stadtentwicklung“ des Senats von Berlin und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen – jeweils anlassbedingt Stadtforen von Unten zu organisieren.

Hierdurch sollen den Stadtnutzer*innen die Möglichkeit haben, ihren Anspruch an Beteiligungsformate in Stadtentwicklungsprozessen sichtbar zu machen und eine ernsthafte und wirksame Überarbeitung der Formate einzufordern.

Wir wollen die „Beteiligung an der Beteiligung[splanung]“1 wirksam einfordern und die bisher ausgeblendeten Aspekte politischer Partizipation sichtbar machen. Denn es geht um weit mehr, als um die Verbesserung informeller Beteiligungsverfahren bei der räumlichen Stadtentwicklung. Folgende drei Fragen sind für uns dabei zentral:

  • Unter welchen Voraussetzungen findet Beteiligung statt?
  • Welche Menschen können in welcher Form in die Prozessgestaltung eingebunden bzw. berücksichtigt werden, so dass akzeptierte, leicht nachvollziehbare und transparente Beteiligungsstrukturen auf den verschiedenen Ebenen entstehen (Senat, Bezirk, LOR)?
  • Wie kann ein Stadtforum (von Unten) in Zukunft aussehen, sodass ein wirksames und sinnvolles Format zur Beteiligungsanregung entsteht?“

Die im Stadtforum sichtbar gewordenen Unterschiede realpolitischer und zivilgesellschaftlicher Herangehensweisen und Vorstellungen zur Partizipation sollen sichtbar gemacht werden – das Spannungsverhältnis als Voraussetzung für Handlungsoptionen bleibt somit der Stadtgesellschaft erhalten und wirkt zudem der Deutungshoheit von Politik und Verwaltung im fortschreitenden Leitlinienentwicklungsprozess2 entgegen. Im Sinne einer „konflikthaften Partizipation“3 werden Reaktionen provoziert und die auf Wissensaustausch ausgelegte Auseinandersetzung mit den Stadtnutzer*innen eingefordert.

2 Vgl. Weblink: „Aufruf zur Bewerbung um die Mitwirkung im Arbeitsgremium“ (http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/stadtforum/de/leitlinien/index.shtml)

3 Vgl: Markus Miessen – „Albtraum Partizipation“, S. 86, Merve Verlag, 2012